Benutzen eines (defekten) E-Scooters als Tretroller unter Drogeneinfluss

LG Hildesheim – Urteil vom 03.11.2022 – Az. 13 Ns 40 Js 25077/21

Was ist geschehen?

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, er habe mit einem E-Scooter eine öffentliche Straße – unter Einfluss von Marihuana – befahren. Dabei soll er die erforderliche Erlaubnis zum Führen eines Fahrzeugs nicht gehabt haben sowie das Fahrzeug nicht haftpflichtversichert gewesen sein.

Entscheidung des AG Lehrte

Das AG Lehrte verurteilte den Angeklagten in erster Instanz wegen vorsätzlichen Gebrauchs eines Fahrzeugs ohne den hierfür erforderlichen Haftpflichtversicherungsschutz. Freigesprochen wurde der Angeklagte dagegen vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Berufungsentscheidung LG Hildesheim

Das LG Hildesheim hob das erstinstanzliche Urteil gegen den Angeklagten auf und sprach ihn frei. Während der Hauptverhandlung überzeugte sich die Kammer darüber, dass der elektrische Antrieb des E-Scooters zur Tatzeit nicht funktionierte, weshalb der Angeklagte das Fahrzeug wie einen Tretroller mit bloßer Muskelkraft angetrieben hat.

Gebrauchen eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsschutz, § 6 PflVG

§ 6 PflVG setzt unteranderem ein „Gebrauchen“ voraus. Gebrauchen liegt vor, wenn das Fahrzeug zum Zweck der Fortbewegung bestimmungsgemäß benutzt wird. Unter Ausführung der Unterschiede zwischen einem elektrischen Antrieb und (betriebs-)fremde Kräfte wie z.B. die eigene Körperkraft, kam die Kammer zu der Überzeugung, dass ein Gebrauchen nicht vorliegt, „wenn ein E-Scooter wie ein einfacher Tretroller mit bloßer Muskelkraft gefahren wird.“

Damit liegt keine Strafbarkeit nach § 6 PflVG vor.

Fahren ohne Fahrerlaubnis, § 21 StVG

Eine Strafbarkeit nach § 21 StVG lehnte die Kammer ebenfalls mit dem Argument ab, dass die Benutzung eines E-Scooters mit bloßer Muskelkraft kein führen im Sinne der Vorschrift darstelle.

Drogenbedingte Fahruntüchtigkeit, § 24a Abs. 2 StVG

Zwar habe der Angeklagte die Grenzwerte für THC überschritten, aber auch wie § 21 StVG verlangt die Vorschrift das Führen eines Kraftfahrzeuges, welches im hiesigen Fall nicht vorlag. Damit wurde auch § 24a Abs. 2 StVG nicht erfüllt.

Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB

Eine Strafbarkeit nach § 316 StGB wurde mit dem Argument abgelehnt, dass beim Angeklagten keine Beweisanzeichen für seine Fahruntüchtigkeit festgestellt werden konnte. Denn anders als beim Alkoholkonsum bestehen keine Wirkstoffgrenzen für eine absolute Fahruntüchtigkeit infolge eines Drogenkonsums. Vielmehr muss die Fahruntüchtigkeit im Einzelfall festgestellt werden.

Daneben hätte es die Ansicht vertreten lassen, der Tretroller stelle kein Fahrzeug im Sinne des § 316 StGB dar.

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